DAS GURKENGLAS - Ein Text über seine Designqualität
Wie gewohnt greifen wir im Supermarkt zum Gurkenglas und zwar zu dem, das wir gewohnt sind, oder vielleicht auch zufällig einmal zu einem anderen. Das eine sieht wie das andere aus und lediglich ein kleiner Preisunterschied und ein andersfarbiges Etikett zeichnen die Unterschiede aus. Es ist uns egal, wie es aussieht oder wie es sich anfühlt, wir sind es schlichtweg gewohnt. Es ist kein Spektakel, es zu halten oder es zu verwenden, und schon gar nicht es anzuschauen.
Die Zylinderform mit kleinen Radienunterschieden ist aus dickwandigem, klarem Glas. Die Hand kann sich gerade noch um das Glas spannen, und sie hat es gut im Griff. Kindersicher ist das Glas also. Zum Glück, denn die weitere Handhabe ist nicht gerade einfach. Der Glasrand ist abgerundet und der Deckel trifft blechern darauf. Eine kleine Drehbewegung reicht, damit die Spiralen des Glases und des Deckels ineinander greifen; das ist ein einfacher Drehverschluss, der auch hin und wieder klemmt. Ein neues Gurkenglas benötigt etwas Kraft zum Öffnen. Wenn sie nicht ausreicht, dann weil die Hand am glatten Deckel so leicht abrutscht. Da waren die Einweckgläser wie das Rex-Glas mit dem Bügelverschluss und dem Dichtungsgummi einfacher zu öffnen; dafür braucht man jetzt keine Gummidichtung mehr.Verschlossen muss es auf jeden Fall sein, sonst setzt sich Schimmel an. Dass man ein großes Gurkenglas innerhalb kurzer Zeit leert kommt wohl selten vor – nun denn, wer nicht aufpasst, hat demnächst ein Zuhause für den Schimmelpilz geschaffen. Natürlich geht es nicht so schnell wie beispielsweise bei Preiselbeeren im Glas, aber es passiert. Abgesehen von derselben Gabel, die immer wieder in das Glas taucht, erwischt man nicht immer sofort eine Gurke. So manche Gurke bleibt unbeeindruckt von der Gabel, die immer wieder in das Glas taucht, und taucht einfach ab. Bei einem frisch geöffneten, vollen Glas ist die Gabel auch nicht gerade der geeignete Partner eines Gurkerl-Anglers, denn sie findet keinen Weg hindurch. Die Gurken sind im Glas so dicht zusammengestopft und teilweise sogar verkeilt, dass der Angler nicht einfach mit der Gabel eine Gurke herausziehen kann; manche Gurken erleiden in dieser Lagerung Quetschungen und quellen im Wasser unschön auf.
Der Füllvorgang bei der Verpackung der Gurken für den Supermarkt ist sicher auch eine Herausforderung. Da fragt sich doch jeder, wieso die Gurken nicht anders schwimmen dürfen für den Produzenten. Wären liegend gestapelte Gurken ähnlich wie ein Lager von Holzstämmen nicht angenehmer zu „ergabeln“? Die Verpackung müsste dafür nicht einmal größer als die alte sein, nur anders geformt.
Der Gurkenproduzent meint es sicher gut, aber elegant ist es sicher nicht. Schade um den schönen Naturstoff Glas und um die Gurken-Exemplare. Wieso diese Verpackung wohl gewählt wurde? Auf der Suche nach einer Antwort auf diese Frage fischen wir im Trüben. Ebenso wenig zuträglich ist die Hilflosigkeit der Gurkenesser, dem Platz und Nerven für den innen feuchten und sauber zu haltenden Deckel auf dem Esstisch fehlen. Immerhin ist das Glas mit diesem Etikett und der Einfärbung auch kein Augenschmaus, der gern zwischen einer Objektkultur von Tellern und Tassen aus Porzellan gesehen wird. Also am besten raus aus dem Glas in ein angemessenes Schälchen.
Der Traum wäre ein Schuss leichtere ergonomische Handhabe und eine Prise mehr Haptik, damit das Ganze der Schönheit einer Gurke gleicht.